Nachwuchsleistungssport-Symposium 2013 in Leipzig
Nachwuchsleistungssport-Symposien in Leipzig sind gute Tradition: nach sechseinhalb Jahren konnte das IAT (in Kooperation mit dem DOSB) vom 6. bis 8. Mai 2013 erneut eine große Teilnehmerschar aus Trainern und Verbandsmitarbeitern sowie Wissenschaftlern in Leipzig begrüßen, diesmal in den Räumlichkeiten der imposanten Red Bull Arena und mit dem Titel „Wege an die Spitze“. Gut 300 Teilnehmer konnten zugelassen werden, eine vorsorglich eingerichtete Nachrückerliste wurde nach weiteren 150 Interessenten geschlossen. Es hätten noch viel mehr werden können! Kein Wunder: nur durch einen guten Nachwuchsleistungssport können für die Zukunft internationale Erfolge systematisch vorbereitet werden. So betonte auch IAT-Direktor Prof. Dr. Arndt Pfützner den großen Bedarf an einem Forum für den Austausch von Wissenschaft und Praxis im Nachwuchsleistungssport.
Schon einige kritische Aussagen in den einleitenden Worten zeigten, dass die Darstellung des deutschen Spitzensports im absoluten Weltspitzen-Bereich nicht mehr so gut gelingt und deshalb dringend Bedarf besteht, sich nicht auf aktuellen Erfolgen auszuruhen, sondern rechtzeitig die entsprechenden Weichen zu stellen. So bspw. Frau Dr. Münch (Sport-Ministerin des Landes Brandenburg): „In London konnten 2012 viele deutsche Sportverbände ihre selbst gesteckten Ziele nicht umsetzen. Damit sich das in Zukunft nicht wiederholt, müssen Bund und Länder eng zusammenarbeiten.“ Oder Prof. Dr. Pfützner (IAT-Direktor): „Der deutsche Leistungsspor muss sich an der Weltspitze orientieren, aber momentan können wir mit dem Weltmaßstab nicht ganz mithalten. Sportler aus dem Juniorenbereich bringen im deutschen Olympiateam nur in Einzelfällen Spitzenleistungen.“Die ersten beiden Tage standen unter der Prämisse, den aktuellen Informationsstand zum Nachwuchsleistungssport weiterzugeben, auszutauschen und zu diskutieren. Gerade Letzteres, der Austausch, wurde nicht nur durch den „Leipziger Abend“, sondern auch durch den gelungenen, mehrfachen Wechsel von Plenumsphasen mit kleineren parallelen Diskussionsforen (zum Einen: Fördersysteme, zum Anderen: Training und Wettkampf) in den Sportartengruppen bewerkstelligt. Praktische Beispiele gab es zentral in den „Schlaglichtern“ und in kleineren Foren „Nähkästchen“ mit erfolgreichen Top-Athleten und ihren Trainern. „Externes“ Highlight: ein Vortrag des pädagogischen Leiters des weltberühmten Leipziger Thomaner-Chores als weiteres Best-Practice-Modells. Inhaltlicher Rahmen für alle Teilnehmer waren die „Leipziger Positionen zum Nachwuchsleistungssport in Deutschland“ des IAT, die jedem Teilnehmer vorab schriftlich zur Verfügung gestellt wurden und die auch, mit kleinen spezifischen Vertiefungen, in die Diskussionsforen eingingen. Dr. Antje Hoffmann, Leiterin des IAT-Fachbereiches Nachwuchsleistungssports und Organisationsleitung des Symposiums, fasste die Grundaussage wie folgt zusammen: „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit im deutschen Nachwuchsleistungssport. Um in Zukunft wieder erfolgreicher zu sein, müssen wir weg von der problem-, hin zur lösungsorientierten Arbeitsweise.“Das Positionspapier steht unter http://www.iat.uni-leipzig.de/aktuelles/veranstaltungen-2/nwls-symposium/leipziger-positionen allen Interessenten zum Download zur Verfügung. Eine Zusammenstellung nur der Thesen finden Sie direkt hier:
Begabungen >>> Talententwicklung/Talentförderung >>> Spitzenleistung
- Kindliche Bewegungsförderung steht am Anfang einer Spitzensportkarriere.
- Eine systematische Talentsuche ist Voraussetzung, um möglichst viele begabte Kinder zu gewinnen.
- Die Talentauswahl darf sich nicht nur an Leistungsauffälligkeit orientieren.
- Unterschiedliche Wege an die Spitze sind möglich und müssen berücksichtigt werden.
- Nachwuchstraining ist Voraussetzungstraining.
- Systematisches Training ist der wichtigste Erfolgsfaktor.
- Eine vielseitige Grundausbildung ist die Basis für spätere Erfolge.
- Bis zur Geschlechtsreife muss der Schwerpunkt im Nachwuchstraining auf der Beanspruchung der informationsaufnehmenden und -verarbeitenden Prozesse liegen.
- Talentförderung muss stärker an der individuellen Entwicklung statt nur am chronologischen Alter ausgerichtet werden.
- Allgemein-athletisches Training, die technische Beherrschung der Trainingsübungen und der Wechsel von Belastung und Erholung sichern die Belastbarkeit.
- Erfolgreiche Talententwicklung erfordert altersgerechte Wettkampfsysteme.
- Eine erfolgreiche Talentförderung erfolgt zielgerichtet, systematisch und ist flexibel für individuelle Entwicklungswege.
- Talente müssen systematisch gefördert und gefordert werden, um ihre sportliche wie auch Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten.
- Eine erfolgreiche sportliche Entwicklung erfordert flexible (Aus-)Bildungsmöglichkeiten für die Nachwuchsathleten.
- Talententwicklung bedarf kompetenter und für die Anforderungen in den Ausbildungsetappen qualifizierter Trainer.
- Die jährliche sportmedizinische Grunduntersuchung der Nachwuchsleistungssportler ist unabdingbar
- Für langfristige Erfolge im Spitzenbereich braucht der Nachwuchsleistungssport eine kontinuierliche und praxiswirksame wissenschaftliche Unterstützung.
- Nachwuchstraining und -förderung sind an den Entwicklungen der Weltspitze auszurichten.
Am Schlusstag stand das in Arbeit befindliche Nachwuchsleistungssport-Konzept 2020 des DOSB im Mittelpunkt. Olav Spahl als DOSB-Vertreter stellte den aktuellen Sachstand anhand einer Präsentation vor. Leider gab es dazu, anders als bei o.g. „Leipziger Positionen“, keine schriftlichen Unterlagen zum Nachlesen oder Nachschlagen, so dass die anschließenden Diskussionen in den Teil-Foren ohne diese konkreten Unterlagen auskommen mussten. Dennoch gab es intensive und zum Teil auch kontroverse Diskussionen mit den Teilnehmern. Das zeugt vom Interesse der Mitarbeiter aus der Praxis an diesem noch ausstehenden Orientierungsrahmen und der Sinnhaftigkeit der gemeinsamen, zentralen Ausrichtung. Nach Ansicht der Teilnehmer bedarf es bis zur Verabschiedung des Papiers durch die DOSB-Mitgliederversammlung Ende 2013 einer noch deutlicheren, konkreteren Klarheit und auch Sicherheit, wohin es mit dem Nachwuchsleistungssport in Deutschland bis 2020 gehen soll.
Wenn man die wichtigsten Aussagen des Symposiums aus den Beiträgen aus Wissenschaft, Praxis und DOSB zusammenfasst, dürften die folgenden Bereiche die weitere Entwicklung im Nachwuchsleistungssport beeinflussen:
- Der Nachwuchsleistungssport wird nicht nur durch Trainingsfragen, sondern auch viele weitere Faktoren bestimmt (z.B. personale, pädagogische, motivationale oder Umfeld-Faktoren).
- Das Thema Duale Karriere wird wichtiger.
- Ein Talent-Transfer wird zunehmend wichtiger, auch um einem zahlenmäßigen Rückgang zur Verfügung stehender Talente (bspw. durch demographische Faktoren oder Verteilung auf mehr Angebote) zu begegnen. In der Diskussion war auch die Installation von sportartübergreifenden Talentscouts im Grundschulalter.
- Fragen des „richtigen“ langfristigen Leistungsaufbaus sind weiter zu diskutieren und die Konzepte, auch Rahmentrainingskonzeptionen, zu aktualisieren. Das Thema Athletik und Krafttraining wird auch im Nachwuchsleistungssport wichtiger.
- Das Thema Trainerbeschäftigung und –finanzierung sowie Traineraus- und –weiterbildung wird uns weiter beschäftigen. Zu letzterem gehören verstärkt auch personale und pädagogische Kompetenzen.
- Die Steuerung des deutschen Nachwuchsleistungssports ist, bei den vielen Beteiligten und Ebenen, zu verbessern.
Danke, Leipzig!