Vergleich der Trainingskennziffern internationaler Spitzenathleten am Beispiel eines russischen Athleten und eines deutschen Athleten

Abstract
Der Skilanglaufsport hat sich in den letzten Jahren entscheidend weiterentwickelt. Die zurückliegenden Olympischen Spiele in Sotschi 2014 und gerade die zurückliegenden Weltmeisterschaften in Lahti 2017 konnten beispielhaft den derzeitigen Stand der Anforderungen im Skilanglauf aufzeigen. Zahlreiche Zieleinläufe – speziell im Herrenbereich – werden mittlerweile fast ausschließlich im Massensprint entschieden. Dass dies nach einem kräftezehrenden Distanzrennen umsetzbar ist, demonstrieren einige Athleten wie Sundby, Björgen oder Harvey in hohem Maße. Nur der „komplette“ Athlet kann im Weltcupgeschehen oder zu absoluten Höhepunkten wie den Olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften das führende Niveau mitbestimmen. Die Leistungsdichte in der Weltspitze ist extrem hoch und es entscheiden im Kampf um die Medaillen nur noch Nuancen. Blickt man mehrere Jahre zurück, herrschte eine deutliche Dominanz skandinavischer Skilangläufer. Zu Zeiten eines Björn Daehlie (1990-1999) gewannen Norweger 8mal den Gesamtweltcup. Im Anschluss daran (1999-2010) konnte kein norwegischer Gesamtweltcupsieger mehr gestellt werden. Vielmehr herrschte eine Dominanz der Mitteleuropäer. Zwischen 2004 und 2009 gewannen mit den drei Deutschen, Sommerfeldt, Teichmann und Angerer (2mal), dem Tschechen Bauer und dem Schweizer Cologna jeweils „Nichtskandinavier“ die Gesamtweltcupwertung. Nach einer, für eine „Skilanglaufnation“ langen (10 jährigen) Durststrecke, gelingt es den Norwegern nun wieder den Weltcup zu dominieren. Weiterhin beobachtet man, dass auch andere Nationen mit einzelnen Athleten massiv in die Weltspitze vordringen (FIN – Heikkinen, FRA – Manificat, CAN – Harvey, RUS – Ustiugov).
Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, aufgrund welchen trainingsmethodischen Vorgehens diese Entwicklung erfolgt ist. Ist es nur das außergewöhnliche Talent einzelner Athleten wie Sundby, Ustiugov und Harvey oder gibt es hierfür klare trainingsmethodische Hinweise? Um dieser Frage nachzugehen ist es notwendig einen Überblick über das realisierte Training und der zugrundeliegenden Trainingsphilosophie der erfolgreichen Athleten zu erhalten.
Vor dem Hintergrund, dass entsprechende Trainingskennziffern (Saison 2012/2013) eines russischen Spitzenathleten vorliegen, soll die Hauptaufgabe dieser Arbeit darin bestehen, einen Vergleich des Trainings eines erfolgreichen deutschen Athleten (Sportler B) mit einem international erfolgreichen russischen Sportler (Sportler A) vorzunehmen, um entsprechende Merkmale bzw. Charakteristika der unterschiedlichen trainingsmethodischen Herangehensweisen herauszustellen. In diesem Zusammenhang werden in dieser Arbeit die aktuell stark diskutierten trainingsmethodischen Konzepte „Polarisierendes Training“ und „Schwellenkonzept“ vorgestellt und folgende wissenschaftliche Fragenstellung formuliert:
(1) Ist es möglich auf der Grundlage der Trainingskennziffernanalyse von Sportler A und Sportler B, wesentliche Unterschiede im trainingsmethodischen Vorgehen zu kennzeichnen?
(2) Lässt sich das Trainingsmethodische Vorgehen der beiden Athleten einer der bekannten trainingsmethodischen Grundphilosophien zuordnen?
Ausgehend von der wissenschaftlichen Fragestellung werden anschließend folgende Arbeitshypothesen formuliert:
(1) Es ist anzunehmen, dass in der trainingsmethodischen Umsetzung deutliche Unterschiede im Bezug auf (1) die inhaltliche Gestaltung des Trainings und (2) des realisierten Gesamttrainingsumfangs auftreten.
(2) Es ist anzunehmen, dass die Ergebnisse der Trainingskennziffernanalyse beider Athleten eine Zuordnung zu einem der beiden Trainingskonzepte zulassen.
Um der wissenschaftlichen Fragestellung und den Arbeitshypothesen nachgehen zu können, wurde eine detaillierte Kennziffernanalyse durchgeführt und dabei die markanten Unterschiede beider trainingsmethodischen Umsetzungen im Bezug auf folgende Aufgabenschwerpunkte betrachtet:

  • die Stunden im Gesamttrainingsumfang
  • die Verteilung der Trainingsmittel (TM)
  • die Verteilung der Intensitätsbereiche
  • der Rolle des Crosstrainings
  • der Rolle des Radtrainings
  • die Verteilung des konditionellen Faktors Kraft am Gesamtumfang
  • den Anteilen ergänzendem Trainings
  • die trainingsmethodische Vorgehensweise in den einzelnen Perioden

Schlussfolgernd konnte auf Grundlage der Leistungs- und Trainingsanalyse der Saison 2012/2013 von Sportler A und Sportler B eine genaue Kennziffernsituation aufgezeigt werden und es konnten gravierende Unterschiede in der trainingsmethodischen Umsetzung im Bezug auf die inhaltliche Gestaltung des Trainings und den realisierten Gesamttrainingsumfangs herausgestellt werden. Desweiteren ließen sich beide Sportler in diesem Zusammenhang einem der beiden trainingsmethodischen Konzepte zuordnen.
Zu guter Letzt geht es nicht in dieser Arbeit um die Frage welches der beiden Trainingskonzepte das Richtige ist, sondern darum, das Training so zu gestalten, dass alle aktuell notwendigen Leistungskomponenten und –faktoren ausreichend entwickelt werden. Hier wird es notwendig sein, Aspekte beider Konzepte aufzugreifen und im Ergebnis individuell abgestimmte Trainingsstrategien abzuleiten. Der hier dargestellte Kennziffernvergleich zeigt, dass dieser Prozess in vollem Gange ist. Zukünftig ist davon auszugehen, dass trainingsmethodisch eine weitere Annäherung beider Konzepte erfolgen wird.

Standorte
Online, Schrank, Ski126
Ort
Köln
Jahr
2017
Studiengang
DTS 2-21
Autoren
Jens Filbrich