ICCE Global Coach Conference 2015
Die diesjährige Global Coach Conference, die im zweijährigen Rhythmus von ICCE ausgetragen wird, fand vom 23. – 25. August 2015 in Vierumäki (Finnland) statt – insgesamt war dies bereits die 10. Welt-Konferenz, also ein kleines Jubiläum! Örtliche Ausrichter waren Viermäki, das Sportinstitut von Finnland in Verbindung mit dem Finnischen Olympischen Komitee und dem Finnischen Sportministerium. Die Konferenz mit dem Oberthema „Coach and Athlete Empowerment: a winning combination“ wurde von über 400 Teilnehmern aus allen Kontinenten der Welt besucht. Eingerahmt und durchzogen wurde diese Hauptkonferenz von einer Auftakttagung „Research Fair“ mit dem Schwerpunkt auf Forschung (dazu folgt ein eigener Bericht), von der ersten Multiplikatoren-Veranstaltung des CoachLearn-Projektes (ebenfalls ein eigener Bericht), einer Postersession sowie zahlreichen Treffen bestehender Arbeitsgruppen und Adhoc-Austausch. Die exzellenten Bedingungen in Vierumäki mit zahlreichen Unterkunfts-, Sport- und Tagungsmöglichkeiten, eingebettet in eine wunderbare Natur mit Wäldern, Seen und Golf-Plätzen boten dafür herausragenden, gern genutzte Möglichkeiten zum intensiven Austausch. Zentrale Plenumsvorträge Zentrale Plenumsvorträge wurden u.a. gehalten von John Bales (ICCE-Präsident), Erkka Westerlund (Eishockey, Finnland), Damien Mollard und Yassine Yousfi (IOC Sport Department and Olympic Solidarity), Uri Schaefer (Präsident ICSSPE), Frank Dick (UK) als Leiter einer Podiumsdiskussion mit Per Nymoen (Skilanglauf, Norwegen) und Jeroen Otter (Short Track Eisschnelllauf, Niederlande), Wayne Allison und Jamie Robinson (English Football Association) sowie Susanna Rahkamo (Finnisches Olympisches Komitee), dazu zwei weitere Vorträge, die wir Ihnen hier etwas ausführlicher darstellen: Sue Campbell (Youth Sport Trust U): Developing Excellence in Culture, in People and in Systems. Baroness Sue Campbell war von 2003 bis 2013 CEO von UK Sport und als solche wesentliche Unterstützerin für den Erfolg des britischen Teams bei den Olympischen Spielen in London. In ihrem Beitrag fasst sie wesentliche Erfolgsfaktoren und Erfahrungen zusammen. Sie unterteilt diese in die Entwicklungsbereiche der kulturellen Gegebenheiten, der beteiligten Personen und der Strukturen.
- Das Wichtigste, aber auch Schwierigste ist aus ihrer Sicht, die Kultur zu entwickeln und zu verändern. Als wesentliche Faktoren nennt sie die gelebte Philosophie (u.a. Leadership), moralische Auffassung (das wichtigste ist der Athlet/das Team mit seinem Trainer, nicht das System), das Wertesystem und die Zielsetzungen. Unbedingte Kooperation aller Beteiligten (alle mit gleicher Zugehörigkeit und gleicher Wertigkeit, bezogen auf ihre Aufgabe) für das gleiche, gemeinsame Ziel mit faktenbasierten klaren Entscheidungen sind durchgängiges Prinzip. Entschuldigungen oder Kompromisse werden nicht anerkannt.
- Alle Mitwirkenden tun ihr Bestes für das gemeinsame Ziel, und es werden die ziel- und praxisbezogen/anwendungsbezogen Besten dafür ausgewählt und kontinuierlich sowie auf kürzestem, schnellstem Wege („fast lane“) gefördert. Zu den förderlichen Kriterien gehören persönliche Exzellenz aller Mitwirkenden (u.a. Commitment, Übernahme von Verantwortung und Selbstverantwortung ohne Kompromisse), das Fördern von Innovation und Kreativität, ständiges Streben nach Verbesserung, Performance Coaching und Talent Development auch im Sinne von Talent- und Personalentwicklung aller, wie im Business. Es geht um Haltung und Einstellung, nicht um Motivierung! All diese Zugänge sind gleichermaßen auch die Grundlage für die dauerhafte Fortentwicklung der Strukturen. Ganz klar: im Hochleistungssport ist der kleinste Stillstand schon Rückschritt!
- „Core Values“ (Zentrales Wertesystem): konstante Standards als Führungsprinzip. Dazu gehören: die Person coachen und entwickeln, „Ich pflege eine wertschätzende Beziehung zu Dir, aber ich werde auch Entscheidungen treffen, so wie ich sie für die besten für das Team halte“, respektvolle Leidenschaft. Gilbert stellt dies als Gleichgewicht aus „Bewahre zentrale Werte und Absichten“ und „Verändere kulturelle und Handlungs-Weisen, Zielfestlegungen und Strategien“ dar.
- „Personal Mastery“ (Persönliche Meisterschaft): Leidenschaft für andauerndes Lernen aus eigenem Antrieb“, „Es ist gut, Fehler im praktischen Handeln zu machen, sonst wirst du nicht besser“, „Was wirklich zählt ist, was da lernst, nachdem du bereits alles weißt“, und vor allem: ein Growth Mindset (im Sinne von Carol Dweck)
- „Complex Family Environment“ (Umfeld): Freiheit innerhalb einer festen Struktur – sowohl Autonomie (Differenziertheit und Freiheit) als auch Bindung (Integration, Unterstützung, Orientierung)
- „Authentic Learning“ (Echtes Lernen): Lernen in tägliche Situationen einbetten, um Leistungslücken zu schließen. Basis dafür ist gute Reflektion: 1. Leistungslücken mit hoher Wirkung identifizieren. 2. Einen detaillierten Handlungsplan umsetzen. 3. Evidenz leitet die Analyse und das Festlegen der nächsten Schritte. 4. Dauerhaftes Arbeiten an feststellbaren Verbesserungen. – Zu letzterem stellte Gilbert u.a. eine „Statistikkarte“ für die Hand des Trainers vor, um entsprechende Analysen wirksam zu gestalten.
- Strukturen und Umfeld richten sich klar nach den Erfordernissen des Trainer und Athlet bzw. Team – Gefüges aus. Dies erfolgt durch eine entsprechende Grundphilosophie, kooperativ-zielgerichtetes Wertesystem und Identifikation aller Beteiligten mit klarer Ausrichtung an der Praxiswirkung.
- Trainer, ihre Fähigkeiten und Qualifikationen und ihre ständige Weiterentwicklung beziehen sich längst nicht nur auf die sportfachliche Ebene (dies ist notwendig, aber keineswegs hinreichend). Ebenso wichtig sind personale Faktoren, z.B. Lernwille, Wertesystem und Philosophie sowie Mindset und Leidenschaft dahingehend, Athleten und Teams zu unterstützen, sowie im Praxisfeld das konkrete Trainerverhalten / Coach Behaviour. Entsprechend lagen die Schwerpunkte der Diskussionen in Vierumäki auch in diesem Bereich.
- Entsprechend wichtig ist auch die Professionalisierung und klare Ausrichtung derjenigen Mitarbeiter, die die Traineraus- und –weiterbildung, auch und gerade im Sinne von Personalentwicklung, zu verantworten und zu leiten haben. Oft feststellbare Einschränkungen auf Trainer und als Trainer Denkende/Handelnde (im Sinne einer klassischen Meisterlehre) oder akademischer Experten als Wissensgeber ohne (andauerndes) Train-the-Trainer, Coaching oder Mentoring im Praxisfeld reichen da nicht (mehr) aus, wie sowohl die bestehenden ICCE-Frameworks als auch die Diskussionen und Workshops während der Konferenz (einschließlich der Gedanken um ständige Weiterentwicklung der Frameworks) deutlich aufzeigten. Ein Verständnis als Coach Development und sich als professionelle Developer verstehende,in diesem Sinne qualifizierte Mitarbeiter und Umfeldgestaltung sind dafür vonnöten. Vierumäki zeigte dafür viele gute Gedanken auf.