Wollen lernen: Willenskraft und Volition
„Er/sie hat nicht ausreichend gewollt.“ – So oder so ähnliche hat es wohl schon jeder im Leistungssport einmal gehört, vielleicht auch gesagt. Doch was ist dran an dieser Einordnung? – Das Thema des Wollens und seines richtigen Einsatzes ist nicht nur ein Thema im Leistungssport, sondern zunehmend wichtig auch in anderen Lebensbereichen, vor allem in der Arbeitswelt und dem Business. So hat gerade in der Zeitschrift ManagerSeminare, Ausgabe Januar 2014, die Autorin Corinna Micha einen aktuellen Überblick zum Thema gegeben, vor allem basierend auf den Modellen der Professoren Pelz, Kühl und Kehr. Der Beitrag befasst sich mit den Fragestellungen, wie sich Willenskraft/Volition zeigt, wie sie sinnvoll eingesetzt wird, wie man sie entwickeln und erlernen kann und wo die Grenzen liegen. Die Ausführungen lassen sich gut auf Sportsituationen übertragen, übrigens nicht nur auf Sportler, sondern ebenso auch auf Trainer
Willenskraft ...
Eigenständiges, selbst gesteuertes Handeln wird wie gesagt immer wichtiger, Ausführen auf externen Druck (z.B. Anweisung durch eine Führungskraft) ist deutlich auf dem Rückzug. Recht leicht kommt man ins Handeln, wenn die anstehende Aufgabe zur individuellen Motivlage passt (nach einem allgemeinen Modell z.B. in Form von Leistungs-, Macht- oder Anschluss-Motiven), dann ist auch keine besondere Willenskraft im engeren Sinne nötig. Diese kommt erst ins Spiel, wenn die anstehende Aufgabe nicht „passend“ ist, sondern z.B. als unangenehm oder unbequem empfunden wird. In diesem Sinne ist Willenskraft/Volition als Selbstregulierungs- und „Selbstüberlistungs“-Strategie und –Fähigkeit zu sehen. ... einsetzen ... Im Vergleich zwischen „passend“ (= zur Motivlage) und „unpassend“ kann man davon ausgehen, dass die aufzuwendende mentale Energie zum Handlungsvollzug im ersten Fall niedrig und im zweiten Fall hoch ist. Insgesamt sollte eine positive Energiebilanz angestrebt werden. Das heißt: den Einsatz von Willenskraft, wo es möglich ist, vermeiden und nur dort einsetzen, wo es nötig ist – dann aber möglichst intensiv. Ein erster Schritt ist also, Aufgaben möglichst passend zu „gestalten“. Ein Trainer kann z.B. Aufgabenstellungen passend zu den Motiven seines Sportlers formulieren; der Sportler selbst kann sich selbstregulierend klarmachen, welche seiner Motive die Aufgabe ansprechen kann. Erst wenn das nicht reicht, sollte Willenskraft / Volition ins Spiel kommen. Autorin Micha hat basierend auf verschiedenen Hauptquellen sieben Verhaltensweisen zusammengestellt, die Willensstärkere von Willensschwächeren unterscheiden:
- Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung
- Emotions- und Stimmungsmanagement (positive Stimmung erscheint hilfreicher)
- Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke
- Vorausschauende Planung und Problemlösung (pro-aktiv! Wer erst einmal in eine reaktive Haltung gedrängt ist, kann nur noch Unannehmlichkeiten abzuwehren versuchen.)
- Zielbezogene Selbstdisziplin (Ziele sollten nicht nur die üblicherweise bekannten Merkmale, z.B. smart-Prinzip, haben, sondern auch passend sein zu individueller Persönlichkeit und Wertesystem)
- (Selbst-)Motivationskompetenz
- Entscheidungskontrolle (Ziel: schnell Entscheidungen treffen können)
- Selbstbeobachtung: bspw. bzgl. kritischer oder gelungener Momente: wie war die erlebte Stimmungslage, gab es bestimmte Strategien? Interessanter Vorschlag: ein „Stimmungs- oder Emotionstagebuch“.
- „kleine“ unangenehme Situationen gezielt trainieren: auch hier wieder mit Selbstbeobachtung und Reflektion. Welche Handlungsstrategien oder Situationsmanagement sind erfolgreich? Was passiert im Vergleich dazu in Situationen mit Stolpersteinen: an welcher Stelle, aus welchem Anlass taucht die Problematik auf? welche Gefühls- oder Gedankensituation? welche Strategien haben zum Weitermachen geführt?
- Aktuelle Konzentration auf ein Ziel, eine Aufgabe legen: alle anderen Dinge sollten in diesem Moment ausgeblendet werden, Willenskraft kann sich nur in Bezug auf ein Ziel im Augenblick hin entfalten. Das heißt auch: sich (für diesen Moment) entscheiden! Mit anderen Worten: Multitasking und Willenskraft entfalten vertragen sich nicht. Da auch dauerhaft unerledigte, nicht realisierte Aufgaben oder Ziele vor allem in entsprechender Häufung zu Belastungsstress führen können, schlage manche Experten vor, Volition nicht nur wie genannt konzentriert, sondern auch nur in Situationen mit angemessener Erfolgswahrscheinlichkeit zu aktivieren.