Die Spitze im Blick – Nachwuchsleistungssport-Symposium 2017 am IAT in Leipzig

24.05.2017 | 10:13 Uhr

 Nachwuchsleistungssport-Symposien in Leipzig haben mittlerweile einen ausgezeichneten Ruf. Kein Wunder also, dass als das IAT für den 8. bis 10. Mai 2017 unter dem Titel „Die Spitze im Blick“ nach Leipzig rief, die 350 Teilnehmerplätze schnell, schon im März, vergeben waren. Dem Vernehmen nach gab es unzählig weitere Interessenten.
Der Tagungsort in der Red Bull Arena gab wieder nicht nur die Gelegenheit Vorträgen zu lauschen, sondern auch viel Raum und Zeit mit Gelegenheiten zum intensiven Austausch und zur Diskussion. Auch der Leipziger Abend trug dazu bei, diesmal in der imposanten Umgebung des Museums der bildenden Künste.

 Die Programmstruktur mit Hauptreferaten und Schlaglichtern im Plenum sowie Diskussionsforen und Nähkästchen in Gruppen, schon bewährt im letzten Symposium vor vier Jahren, gaben den Rahmen für den Wechsel der Aktivierungsformen. Doch das Vorbereitungsteam um Dr. Antje Hoffmann hatte sich auch noch etwas Neues in der Darbietung einfallen lassen, dazu unten mehr.  Die Begrüßungsreden und Grußworte des ersten Vormittags griffen naturgemäß die aktuelle sportpolitische Situation und Diskussion, rund um die Leistungssportreform und Finanzierung des Leistungssports, auf, sowie auch die Entwicklung und Unterstützung des IAT. Bemerkenswert die Argumentation von Prof. Dr. Engelhardt, dem Vorsitzenden des IAT/FES-Trägervereins: Er betonte die Bedeutung des Vertrauens zwischen Forschung/Wissenschaft und Praxis. Eine Vertrauensbasis benötigt ausreichend aber Zeit und Konstanz der Zusammenarbeit, um sich herausbilden zu können, wie wahr. Über kurze Projekte mit wechselnden Partner und/oder Zusammensetzungen als Standardorganisation sind da kaum dienlich. Engelhardt leitete u.a. daraus ab, eine BISp-Steuerung und eine „Abstufung“ des IAT zu einer nur noch Service-Einrichtung abzulehnen. Und er forderte eine deutliche Verbindung der Förderung von Bund und Ländern. Sachsens Sportminister Ulbig forderte anschließend ebenfalls die Stabilisierung und Ausbau des IAT in diesem Sinne. Er verwies u.a. auf seit Jahren bestehende Forderungen der Sportministerkonferenz, die in der bisherigen Konzeption der Leistungssportreform nicht ausreichend berücksichtigt seien. Der Bedeutung des Nachwuchsleistungssports und des oft zu gering geschätzten Nachwuchstrainers wurde von allen Seiten betont. Dr. Petra Tzschoppe als DOSB-Präsidiums-Vertreterin schloss sich in ihrem Grußwort an.  Nach den Begrüßungsrunden ging es mit zwei Hauptvorträgen im Plenum gleich in die Vollen. Olav Spahl (DOSB) stellte den „Halbzeitstand“ DOSB-Nachwachsleistungssport Konzept 2020 vor. In verschiedenen Themenbereichen wurde der Sachstand und eine Einschätzung vorgestellt, wie weit das Konzept zur Halbzeit der Laufzeit gekommen sei. Zusammenfassend wurde ein sehr unausgeglichenes Bild gezeichnet, in einigen Bereichen wurden Fortschritte berichtet, in anderen ging die Bewertung über Anfänge kaum hinaus. Unscharf blieb , so zeigten auch viele Pausengespräche in meinem Umfeld, selbst (scheinbar vergleichbare) Maßstäbe der Bewertung auf dem Niveau von „Unentschieden zur Halbzeit“, „vorhanden“ usw. Und Aufgaben „erledigt“ zu haben, bedeutet noch nicht, eine Wirkung, erst recht die beabsichtigte, erzielt zu haben. Um im Bild mit dem Vergleich des Halbzeitstandes zu bleiben, blieben die Ableitungen für die zweite Halbzeit eher diffus.  Dr. Antje Hoffmann, Leiterin des Fachbereichs Nachwuchsleistungssport und stellvertretende Direktorin am IAT, steht in diesen Rollen zentral für die inhaltliche Planung der gesamten Konferenz (schon an dieser Stelle herzlichen Dank und Glückwünsche an sie und ihr Team). So war ihr Vortrag „Talentauswahl und –entwicklung – Wissen schafft Leistung?“ natürlich eine Präsentation des Rahmens für das gesamte Symposium. Antje Hoffmann ging von dieser Titelfrage aus, unternahm eine Rundreise durch das Feld zwischen Wissenschaft und Praxis, nutzte diverse Blickwinkel (Handlungswissen, Unterstützung, Kommunikation, Durchsetzungskraft, Überzeugung, Kompetenz, Anreiz), tankte Treibstoff aus IAT-Arbeiten und aus dem Austausch mit der Praxis, Beispielen auch aus dem Ausland, kam so zu einem AnforderungskatalogWir brauchen:
- Entwicklung, Evaluation und Umsetzung konsistenter Konzepte vom Talent bis zur Spitze
- klare Verantwortlichkeiten und Steuerung
- Sicherung der wissenschaftlichen Unterstützung der Verbände
- Sportartspezifik, langfristige Bearbeitung und Nachhaltigkeit
um als großes Fazit ihre Eingangsfrage (fast) zu wiederholen: nun wird  aus „Wissen schafft Leistung?“  jetzt „Wissen schafft Leistung!“  Der Nachmittag des 1. Tages stand unter dem Hauptthema „Talentauswahl“, dafür gab es zwei zeitlich gleich lange Abschnitte: fünf „Schlaglichter“ (Plenumsvorträge) lieferten Input zu Technikbewertung, körperlichen Faktoren und Entwicklung, psychische Faktoren, allgemein-athletische Leistungsvoraussetzungen und Dokumentation, anschließend in parallelen Diskussionsforen zu den gleichen Themen wurde intensiv diskutiert.  Am 2. Symposiumstag standen mehrfach die Persönlichkeit des Talents und ihre Entwicklung im Spannungsfeld zwischen Talent und Trainer im Mittelpunkt. Bernhard Peters und Jamilon Mülders, beide u.a. langjährige erfolgreiche Hockeytrainer und in der Konstellation, dass Mülders unter Peters gespielt hat, beeindruckten mit ihrem Hauptvortrag. An dieser Stelle nur drei kurze Zitate:
- Trainerpersönlichkeiten ENTWICKELN Sportlerpersönlichkeiten
- Führung von Talenten braucht: Gerechtigkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen
- (Über)forderndes Training und die emotionale Bindung des Trainers  Lebhaft wurde es dann erneut in den „Nähkästchen“, einem Format dass man schon aus dem letzten Nachwuchs-Kongress kennt, in dem Sportler und Trainer aus den Erfahrungen auf ihrem gemeinsamen Weg berichteten. Diesmal gab es gleich zwei „Runden“, einmal in fünf parallelen Gruppen, und dann noch einmal mit allen als Podiumsdiskussion.  Zwischen den beiden Nähkästchen-Runden gab es ganz neues Informationsformat: Juliane Wulff aus dem Fachbereich Nachwuchsleistungssport am IAT stellte „FAQ Nachwuchsleistungssport“ vor. FAQ ist als Prinzip Vielen aus dem Internet oder aus dem Kundenservice bei technischen Produkten bekannt: FAQ = frequently asked questions sind eine Sammlung typischer, häufiger (Kunden-) Fragen und dazu kompakte Antworten. Das IAT hat dieses Prinzip als Leitlinie genutzt, typische Praxis-Fragen aus dem NW-Leistungssport kompakt und nach einheitlicher Struktur (Frage, Hintergrund, Antwort, Handlungsempfehlungen, Lesetipps auf meist vier Seiten) zu beantworten. Im Anschluss zum Grundsatz-Vortrag konnten dann die Kongressteilnehmer an zahlreichen Ständen einer Poster-Ausstellung sich nicht nur über die vorliegenden FAQs informieren, sondern auch direkt mit den Autoren oder anderen Interessenten in den Austausch und die Diskussion gehen.  Eine beeindruckende, intensive, gelegentlich auch längere Diskussionsaktivität bis in die Mittagspause hinein! Die aktuell vorliegenden 19 FAQs sind auf der IAT-Seite  unter  http://www.iat.uni-leipzig.de/aktuelles/link-zu-den-faq-nachwuchsleistungssport  zu erreichen.  Abgerundet wurde der zweite Symposiumstag mit drei Hauptreferaten aus unterschiedlichen Gebieten: Maut Butter berichtete aus der Talentauswahl und –entwicklung an der Palucca Hochschule für Tanz, Dr. Ralf Doyscher von der Charité stellte funktionelle Tests zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Verletzungsrisiko im Nachwuchsleistungssport und ordnete diese ein. Und Thomas Albeck gewährte einen Einblick in die Arbeit des Nachwuchsleistungszentrums des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig.  Am Abschlusstag des Symposiums stand inhaltlich die Trainierbarkeit im Mittelpunkt. Vergleichbar dem Format am Starttag zur Talentauswahl, gab es zunächst wieder „Schlaglichter“ im Plenum für alle, die Themen zum Oberthema Trainierbarkeit waren Kraft (aus der KINGS-Studie), Ausdauer, Schnelligkeit, Technik und Taktik. Anschließend bot sich je nach Interessenschwerpunkt die Beteiligung an einem der Diskussionsforen mit intensivem Erfahrungsaustausch an.  Zum Abschluss und zur Verabschiedung verwiesen Dr. Antje Hoffmann und Dr. Ulf Tippelt für das IAT noch einmal auf die Bedeutung des Nachwuchsleistungssports in allen Facetten, wie es das Symposium  aufgezeigt hatte, hin, ebenso wie die wissenschaftliche Unterstützung und die Bedeutung der Nachwuchs-Trainer. Viele der angesprochenen Themen bedürfen einer Vertiefung in weiteren Veranstaltungen, auch in kleineren Formaten, ebenso wie der systematischen Umsetzung in der Praxis. DOSB-Leistungssport-Vorstand Dirk Schimmelpfennig berichtete in seinem Abschluss-Vortrag nicht nur von den aktuellen Entwicklungen in der Sportlandschaft (z.B. wurde parallel zum Symposium gerade die Potas-Kommission berufen), sondern betonte ebenso diese bevorstehenden Aufgaben und die nötige abgestimmte Zusammenarbeit aus Wissenschaft, Praxis und Trainerbildung. So verwies er darauf, dass der Nachwuchsleistungssport und die Athletische Ausbildung der Nachwuchsathleten  thematisch auch an der Trainerakademie verstärkt werden sollen. Antje Hoffmann konnte in diesem Zusammenhang direkt auf eine Veranstaltung im Herbst 2017 zum Athletiktraining im Nachwuchsleistungssport in der bewährten Veranstaltungsreihe der Bundestrainerforen an der Trainerakademie in Kooperation mit dem IAT hinweisen.  Weitere Informationen über die Vorträge finden Sie auf der Tagungsseite http://www.iat.uni-leipzig.de/aktuelles/veranstaltungen-2/nwls-symposium-2017/nwls-symposium-2017 und auf einer Facebook-Seite https://www.facebook.com/nwls2017 . In einem geschützten Bereich der Tagungsseite hat  das IAT-Team schon sehr schnell nach der Tagung die Dokumentationen der meisten Vorträge online gestellt und die Tagungsteilnehmer mit den Zugangsdaten versorgt. Außerdem hat das IAT angekündigt, einen Tagungsband mit den Ergebnissen und Erkenntnissen zusammenzustellen, der im Dezember 2017 erscheinen sollen, so dass auch diejenigen, die nicht am Symposium persönlich teilnehmen konnten, sich vertieft informieren können.