Eine Analyse des Kampfverhaltens von Mädchen im Degen-Fechten aus soziologisch-psychologischer Perspektive
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Beobachtung, dass sich Mädchen im Fechtsport in den letzten Jahren unter zunehmendem Aggressionsverlust im Trainings- und Wettkampfbetrieb zeigten.
Die Positionierungen in den altersgerechten Weltranglisten und die seltener werdenden Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften im Kadetten- und Juniorenbereich gaben Anlass zur Frage, warum der deutsche Nachwuchs in diesem Bereich von der Weltspitze abrückt. Angesichts der Tatsache, dass die Ausbildung der Mädchen in den letzten Jahren im technischen Bereich nicht verändert worden ist liegt es nahe die Ursache in einem anderen Gebiet zu suchen.
Die Arbeit nimmt aus diesem Grunde eine soziologische und psychologische Perspektive Blickwinkel auf das Problem ein. Es wird die These vertreten, dass die geschlechterspezifische Sozialisation einen signifikanten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Performanz der Mädchen im Fechtsport hat. Dazu werden zunächst grundlegende Theorien aus der Sozialwissenschaft und der Frauenforschung mit Hinblick auf das Selbstkonzept, Identitätsbildung und Geschlechtsidentität von Mädchen näher beleuchtet. Hier kann in erster Linie festgestellt werden, dass es für Mädchen im Leistungssport extrem schwierig und belastend ist, sich in einer Zeit, in der traditionelle Geschlechterrollen aufgebrochen werden und nur noch geringe Orientierung bieten, in einem Zwiespalt zwischen einerseits männlichen tradierten Werten im Kampfsport und weiblichen Anforderungen in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung zurecht zu finden. Zumal es im deutschen Leistungssport wenige weibliche Rollenmodelle im Bereich der Trainer gibt. Der Mangel an Vorbildern, die diese Situation positiv gemeistert haben, und dominantes Wettkampf- und Trainingsverhalten mit sozial erwarteten Rollenverhalten als Mädchen oder Frau problemlos kombiniert haben, verstärkt diesen Trend zunehmend. Im Bereich der Aggressionsforschung werden verschiedene Theorien beleuchtet und auf ihre Relevanz für den Leistungssport hin untersucht. Hier erweist sich ganz klar der multikausale Ansatz nach PILZ, SCHILLING und VOIGT als überlegen zur Analyse des Wettkampfverhaltens. Dieser unterscheidet aggressives, nicht regelkonformes und unerwünschtes Verhalten von dominantem, regelgerechtem und erwünschtem Verhalten. Aggressives Verhalten ist definiert als Verhalten, das eine Schädigung des Gegners implizit in Kauf nimmt. Dominantes Verhalten hingegen nimmt die Schädigung des Gegners billigend in Kauf, zielt aber nicht explizit auf diese ab.
Im Rahmen der Untersuchung wurden 29 Mädchen im Alter zwischen 13 und 29 aus dem Bereich Damen-Degen mit Hilfe des Achievement Motives Scale-Sport (Langform) (Elbe &Wenhold, 2005; Elbe et al., 2005) befragt und das Ergebnis ausgewertet hinsichtlich des Motivationsverhalten und Übereinstimmung bzw. Abweichungen im Antwortverhalten. Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt, dass die Motivation von Mädchen in Kampfsportarten sehr hoch ist. Jedoch manifestierte sich im Vergleich des Antwortverhaltens bei ausgesuchten Fragen ein deutlicher Trend. Bei klar definierten Situationen und Erfolgsdruck wurde das Motivationsverhalten schlechter. Daraus lässt sich, Bezug nehmend auf den theoretischen Teil, schließen, dass die Mädchen in Momenten, in denen sie Verantwortung übernehmen müssen, dieser Situation lieber Ausweichen. Klassische Kampfsportarten sind allerdings darauf angelegt, in genau diesen Situationen einen Athleten auszubilden der in diesen Momenten Verantwortung übernimmt und selber Entscheidungen trifft. Hier ist in der Ausbildung der Mädchen im deutschen Fechten ein Defizit.