Neuroplastizität als Leistungsreserve: Die Wirkung von alternativen Trainingsmodellen im modernen Sportfechten am Beispiel der 3-Ball-Jonglage
Das Anforderungsprofil des modernen Sportfechtens hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verändert und verlangt nach adäquaten und verbesserten Trainingsmethoden. Besonders die Steigerung und Verbesserung der motorischen Fähigkeiten Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit gewinnen stetig an Bedeutung. Eine Verbesserung der visuellen Perzeption und Koordination besitzt großes Potenzial. Beides sind kritische Faktoren für die Einschätzung und Reaktion auf sich bewegende Objekte, ihre Verbesserung wird von klassischen Trainingsmethoden nur wenig ausgeschöpft. Es gibt in vielen Bereichen der sportlichen Leistungsfähigkeit noch qualitative sowie quantitative Reserven und am Beispiel der 3-Ball-Jonglage soll eine potenziell neue Möglichkeit zur Erweiterung sowie Unterstützung des Trainingsprogramms hinsichtlich der bisher wenig adressierten koordinativen Verbesserung im technisch anspruchsvollen Sportfechten überprüft werden. In dem Zusammenhang geht es um die Fragen, ob das Erlernen der 3-Ball-Kaskade zu einer Verbesserung der spezifischen koordinativ-technischen Fähigkeiten im Fechtsport führt und ob das Jonglieren einen positiven Einfluss auf die motorische Entwicklung im frühen und späten Jugendalter nehmen kann. Als theoretische Grundlagen dieser Studienarbeit dienen Untersuchungen aus der Bildungsforschung über den Verlauf struktureller Veränderungen des menschlichen Gehirns während des Erwerbs einer Fertigkeit. Die dafür verantwortliche Neuroplastizität lässt sich mit der Fähigkeit des Gehirns beschreiben, seine Strukturen und Organisation kontinuierlich an veränderte Voraussetzungen (z.B. Läsionen) und neue Anforderungen (z.B. Lernbedarf) anzupassen. Die beschriebene Studienlage zur trainingsbedingten und lernassoziierten plastischen Veränderung des Gehirns mittels des Erlernens der 3-Ball-Jonglage sowie die Ergebnisse über die strukturellen Veränderungen des Gehirns während des Lernens bzw. Verlernens bilden den theoretischen Bezugsrahmen für diese Studienarbeit. Gegenstand der vorliegenden Studie ist nunmehr der Übertrag in das Sportfechten Zu diesem Zweck haben 12 gesunde jugendliche Probanden ohne jegliche Vorerfahrung die 3-Ball-Jonglage über einen Zeitraum von sechs Wochen als zusätzliche Maßnahme neben dem regulären Fechttraining erlernt und trainiert. Mithilfe von standardisierten sportmotorischen Tests wurde die Entwicklung von allgemeinen koordinativen Fähigkeiten der Studienteilnehmer*innen überprüft. Zusätzlich wurde der Versuch unternommen mittels eigener entwickelter Teststationen die Veränderungen und potenziellen Verbesserungen bei sportartspezifischen Bewegungsmustern zu erfassen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch das Erlernen der 3-Ball-Jonglage eine signifikante Verbesserung der allgemeinen koordinativen Fähigkeiten festgestellt werden konnte und als alternative Trainingsmethode positive Auswirkungen auf die motorische Entwicklung im frühen und späten Jugendalter haben kann. Indes blieb die vorliegende Studie den statistischen Nachweis schuldig, dass das Jonglieren einen positiven Effekt auf die spezifischen koordinativ-technischen Fähigkeiten im Fechtsport hat. Trotz vereinzelter Leistungssteigerungen der Probanden aus der Experimentalgruppe konnten keine signifikanten Verbesserungen bei den bewegungsspezifischen Tests festgestellt werden. Eine Folgestudie wäre nun nötig, um die trainingsinduzierten Strukturveränderungen im Zuge der 3-Ball-Jonglage mittels eines bildgebenden Verfahrens (z.B. fMRT) zu visualisieren und eine potenzielle dauerhafte Verbesserung bei fechtspezifischen Aufgaben und Bewegungen mit einer solchen Untersuchung zu belegen. Die durchgeführte Wirksamkeitsstudie ist insgesamt als Erfolg anzusehen, da sie den Pionierversuch unternommen hat, wissenschaftliche Erkenntnisse als alternative Trainingsmodelle und innovative Ansätze in den Fechtsport zu implementieren und umzusetzen. Mit dieser Studienarbeit ist der Versuch unternommen worden, qualitative sowie quantitative Reserven der visuellen Perzeption und Koordination bei der Einschätzung und Reaktion auf sich bewegende Objekte zu aktivieren