Untersuchungen zur Fluggestaltung im Damenskispringen
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Fluggestaltung im Damenskispringen. Das Ziel der Arbeit war es, die Flugphase in dieser recht jungen Disziplin näher zu beleuchten und herauszuarbeiten, ob Unterschiede bei den Damen zum Technikleitbild des Deutschen Skiverbandes (DSV) bestehen und welche Fehler oder Fehlerkategorien häufig auftreten.
Zunächst werden der Untersuchung einige theoretische Grundpositionen zugrunde gelegt. Hierzu wird anfangs die Leistungsstruktur der Sportart Skispringen beschrieben. Die sportliche Technik als Teil der Leistungsstruktur wird im Anschluss durch Phasengliederung und Bewegungsbeschreibungen anhand des Technikleitbildes des DSV gesondert dargestellt. Den Abschluss der theoretischen Grundpositionen bilden die Beschreibung aktueller Tendenzen aus der Sportpraxis sowie der gegenwärtige Forschungsstand zum Thema.
Es zeigt sich hier vor allem, dass durch die schnelle Einnahme einer aerodynamisch günstigen Flughaltung (kleiner Körper- Ski- Winkel, große Vorwärtsneigung) große Weiten gewährleistet werden können. Es werden im Anschluss drei Arbeitshypothesen gebildet, nach denen anzunehmen ist, dass die Fluggestaltung im Damenskispringen noch nicht dem Niveau der Herren entspricht, teilweise große Unterschiede in der Fluggestaltung der Damen zum Technikleitbild bestehen und vor allem solche Fehler auftreten, die aus im Vergleich zu Männern geringeren Kraftfähigkeiten resultieren.
Zur Datengewinnung dient die Beobachtungsmethode. Bei drei Wettkämpfen aus den Jahren 2009 und 2010 wurden durch das IAT Leipzig Kameras entlang der Flugbahn aufgestellt. Im Anschluss konnten die Körperwinkelverläufe anhand der Videobilder festgehalten werden. Die Datenverarbeitung und statistische Auswertung fand in Excel statt. Zur Einordnung der Fluggestaltung in den Gesamtkontext der sportlichen Leistung wird zunächst der Einfluss der biomechanischen Faktoren Anfahrtsgeschwindigkeit und vertikale Absprunggeschwindigkeit auf die Sprungweite untersucht. Hier zeigt sich bei den Damen in ca. 60% der 2 Wettkämpfe der Saison 2010/2011 ein relativ großer Einfluss (r> 0,3) der Anfahrtsgeschwindigkeit auf die Weite. Bei den Herren ist dieser Einfluss geringer und nur in 40% der Wettkämpfe zu finden. Bezüglich der vertikalen Absprunggeschwindigkeit lässt die Datenlage keine präzisen Schlüsse zu. Es zeigt sich lediglich die Tendenz, dass die vertikale Absprunggeschwindigkeit noch
nicht so wichtig für die Gesamtleistung ist, wie es bei den Herren der Fall ist.
Beim Vergleich zwischen den tatsächlich realisierten Winkeln im Damenskispringen zum Technikleitbild des DSV und zu den Herren kann nachgewiesen werden, dass die Winkelverläufe der Damen im Mittel sehr große Abweichungen zum Technikleitbild aufweisen. Dies gilt vor allem für die leistungsrelevanten Winkel Unterkörperwinkel, Gesamtkörperwinkel und Differenz zwischen Unterkörper und Ski. Während sich hier im Mittel zehn Grad größere Winkel zeigen, so können die Damen den Oberkörperwinkel und den Skianstellwinkel innerhalb der Leitbildvorgaben realisieren. Somit konnten die beiden ersten Arbeitshypothesen angenommen werden. Daraus ließ sich folgern, dass vor allem solche Fehler auftraten, die stark durch dynamische Prozesse bei der Absprunggestaltung beeinflusst waren. Dies waren Unterkörperwinkel, Gesamtkörperwinkel und die Differenz zwischen Unterkörper und Ski. Somit konnte auch die dritte Arbeitshypothese angenommen werden.
Trainingsmethodische Konsequenzen aus den Ergebnissen sind zum einen in verbessertem Krafttraining zu suchen um die vertikale Absprunggeschwindigkeit bei entsprechend günstigen Körperwinkeln zu erhöhen und zum anderen im Training der Fluggestaltung selbst. Hier sind beispielsweise Windkanaltrainings und die Wahl der richtigen Anfahrtsgeschwindigkeit zu nennen.
Abschließend wird diskutiert, in wie fern die schnelle Einnahme einer günstigen Flugposition von dynamischen Faktoren während des Absprunges abhängt. Hier besteht noch Forschungsbedarf, auch vor dem Hintergrund der Frage, ob ein Schwellenwert der vertikalen Absprunggeschwindigkeit bestehen könnte, ab dem es erst möglich ist, in der Übergangsphase Winkelverläufe entsprechend des Technikleitbildes realisieren zu können. Des Weiteren sind Untersuchungen notwendig um die Frage zu klären, ob es notwendig sein könnte, ein eigenständiges Technikleitbild für Damen zu entwickeln.