A Case Study of Excellence in Elite Sport: Motivational Climate in a World Champion Team

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01.03.2016 | 12:34 Uhr

„Winning the World Cup is a bit like shearing sheep, no other bastard is going to do it for you!“ - Andy Earl (All Black, 1986–1991; World Cup winner in 1987; farmer)

Die New Zealand All Blacks sind eine der erfolgreichsten Mannschaften weltweit und das schon seit über 100 Jahren (75% aller Spiele gewonnen seit 1903). Aus diesem Grund begleitete der Wissenschaftler Ken Hodge (School of Physical Education, University of Otage) das All Black Team zwischen 2004 und 2011, als Graham Henry, Wayne Smith und Steve Hansen das Team als Trainer bis zum WM-Titel 2011 führten.
Er beschäftigte sich dabei intensiv mit der Frage, was die Voraussetzungen für kontinuierlichen Erfolg im Mannschaftssport sind und wie es den Trainern der All Blacks in dieser Zeit gelungen ist, das erforderliche Umfeld dafür zu kreieren.

Als Methode wählte Hodge zum einen ausführliche Interviews mit dem Trainerteam, zum anderen sammelte er zahlreiche Daten aus Artikeln, Büchern, Videos und Dokumentationen, die in dieser Zeitspanne zu den All Blacks veröffentlicht wurden.

Als Resultat kristallisierten sich acht Hauptthemen heraus, die für die Mannschaft und das Trainerteam auf ihrem gemeinsamen Weg für den Erfolg entscheidend waren:

  • critical turning point - entscheidender Wendepunkt
  • flexible and evolving - Flexibel und entwicklungsfähig
  • dual-management model - Duale Führungsstruktur
  • Better People Make Better All Blacks - Bessere Menschen machen bessere All Blacks
  • responsibility - Verantwortung
  • leadership - Führung
  • expectation of excellence - Erwarte das Aussergewöhnliche
  • team cohesion - Teamzusammenhalt

Crititcal Turning Point - entscheidender Wendepunkt
Sowohl für das Trainerteam als auch für die Mannschaft gab es einige einschneidende Wendepunkte, die Auslöser für eine ganze Reihe von Veränderungen waren und die die folgenden Jahre entscheidend prägten. Dabei war ein spezielles Vorkommnis während eines Turniers in Südafrika 2004 ein entscheidender Wendepunkt bezüglich des zukünftigen Führungsstils der Trainer. Dies sollte weitreichende Folgen für die Verantwortungen innerhalb der Mannschaft und die Aufgabenverteilungen im gesamten Team haben. Der Auslöser war das Verhalten einiger Spieler nach einem verlorenen Spiel (u.a. Binge drinking = Komatrinken), das auf die Trainer wie ein Weckruf wirkte. Für die Trainer war dies nicht nur ein deutliches Zeichen fehlender Reife der betroffenen Spieler sondern auch der fehlenden Verantwortung der Spieler untereinander. In einer richtungsweisenden Teamsitzung mit den Führunsspielern wurde daraufhin der Grundstein für einen Kulturwandel in Richtung mehr Selbstverantwortung und Autonomie für die einzelnen Spieler und die Mannschaft gelegt. U.a. wurde als erste Maßnahme ein fester Mannschaftsrat (Leadership Group) ins Leben gerufen.

„That’s when we got really serious about the leadership in the team and so forth... That was the most important meeting, I think, that we ever had in the eight years [we coached the team]… That was the start of changing the environment, changing the culture, developing…the leadership group, and them expressing themselves. We changed the paradigm, creating a leadership group, creating more accountability, giving more ownership, and dual-management of the team.” (Henry)

Ein zweites einschneidendes Erlebnis war das Viertelfinalaus bei den Weltmeisterschaften 2007 und der darauf folgenden Turnierauswertung einer unabhängigen Expertengruppe. Diese deckte deutliche Mängel im Entscheidungsverhalten der Spieler auf dem Spielfeld auf und empfahl daraufhin eine weitere Stärkung der bereits eingeleiteten Veränderungen in Richtung mehr Selbstverantwortung und Autonomie der Spieler.
Außerdem wurden Meetings mit Trainerteams früherer Weltmeisterschaftskampagnen organisiert um zukünftig die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, nicht noch einmal zu machen.  

„We were determined this time to look at why previous players and coaches felt campaigns had failed in the past. And, to do that, we had to look at our own campaign in 2007, which was pretty tough.“ (Smith)

Flexible and Evolving - Flexibel und entwicklungsfähig
Ein Grundsatz des Trainerteams war, selbst stets flexibel und entwicklungsfähig zu bleiben. Sie betrachteten ihren eigenen Führungsstil und ihre Trainerphilosophie zu keiner Zeit als festgeschrieben.

„I’ve been coaching for 37 years… [When I started] I was very directive as a coach… pretty authoritarian. But now it’s… a group of people trying to do something together, rather than a group of coaches and a group of players... Graham went from being [an] instructional [coach] to asking questions. He went from making all the decisions, to a dual decision-making process, finally ending up with a player-led decision-making emphasis.“ (Henry)
Der Führungsstil der Trainer entwickelte sich von einem autoritär-kontrollierenden zu einem autonomie-unterstützenden.

Dual-Management-Model - Duale Führungsstruktur
Im Zuge der Änderung des Führungsstils wurde auch das Dual-Management-Model eingeführt. Die Mannschaft wurde einerseits durch den Mannschaftsrat (Leadership Group) und andererseits durch das dreiköpfige Trainerteam geführt.

„It was the philosophy to give the players ownership… and to dual-manage the All Blacks with a group of players, and a group of oldies [coaches].“ (Henry)

Das Hauptziel war es also den Spielern die Eigenverantwortung zu geben, die Ihnen die Möglichkeit gab ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist das Miteinbeziehen der Mannschaft in die Trainingsplanung und Periodisierung (siehe auch Punkt Responsibility - Verantwortung). Außerdem wurden Spieler regelmäßig bei der Entwicklung der Spielstrategie und Taktik der Mannschaft involviert. Das beinhaltete auch das präsentieren der Strategien und Taktiken vor dem restlichen Team:

„If we’re playing Australia on Saturday, [one of the leaders] might be up in front of the group - this is all part of the self-reliance, ownership stuff - he might be presenting some of the attack game-plan. We went away from making any unilateral decisions as [the] coaching and management team, and [instead we] involved the leadership group in everything… [in] all areas of our campaigns.” (Henry)

Better People Make Better All Blacks - Bessere Menschen machen bessere All Blacks
Gemeinsam mit dem Ansatz des Dual-Managements und der Einführung des Mannschaftsrats war das Motto „Better People Make Better All Blacks“ ein besonderes Zeichen der Veränderung des Führungs- und Coachingstils der Trainer/Verantwortlichen der All Blacks zwischen 2004 und 2011. Dieser Leitsatz war ebenfalls als Konsequenz der Ereignisse in 2004 entstanden. Den Verantwortlichen ging es hierbei besonders um die Persönlichkeitsentwicklung der Spieler auf und neben dem Platz.

„We believe it contributes to performance… A lot of your performance, I think, depends on the connections you have with people around you… connections with the game, but also connection with the fans of the game, connection with your family, and with each other [teammates]. And generally those connections are stronger if you’re a good bugger, and you do things the right way. That’s where a lot of your resilience comes from, I reckon; is that you’re playing for other people, as well as yourself.” (Smith)

Das beeinflusste ganz wesentlich auch die Nominierungkriterien für das All Blacks Team. Die Trainer waren der Überzeugung, dass die Entwicklung der Persönlichkeit eines Spielers ganz entscheidend zu seiner Entwicklung als Athlet beitrug.

Responsibility - Verantwortung
Passend zum Dual Management Modell war die Übertragung von Verantwortungen in die Mannschaft sehr wichtig für die Trainer der All Blacks auf dem Weg zu langfristigem Erfolg.

„The more confidence you can give them in leading the team, in making decisions on the field, the better they’re gonna play. Also it makes them feel good, it’s good for their self-esteem.“  (Henry)
Passend dazu auch die Aussage des Kapitäns Richie McCaw, einer der erfolgreichsten Rugby Spieler aller Zeiten:

„At the beginning of the week, it’s 80/20 the coaches driving things at practice; but as we get closer to the game, the ratio reverses because we’re the ones who have to drive it during the game… By Friday, captain’s run, the coaches don’t have any say at all, it’s all me and… the senior guys.”

Die Eigenverantwortung der Mannschaft reichte also so weit, dass im Verlauf der Trainingswoche die Verantwortung für die Trainingsinhalte vom Trainerteam auf die Führungsspieler überging.

Das ist nicht verwunderlich wenn man folgenden Aspekt bestracht: Wer Spieler entwickeln möchte, die später auf dem Feld Probleme lösen und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen treffen können sollen, muss ein Umfeld gestalten, das diese „Problemlösefähigkeiten“ im Team fordert und fördert: „So if you believe that [problem-solving is important] then you’ve gotta create that off the field.“ In diesem Sinn hatte z.B. jeder Spieler die Verantwortung über die Entwicklung seines eigenen Spielerprofils/seiner eigenen Entwicklung:

„They had an objective… [about] where they were at on… seven pillars. Whether it be skills, ability to tackle, catch and pass, jump in the line-out… A statement of where they were at that moment… And from that statement, they work out what they needed to do to keep on progressing as an individual rugby player... So they had a map for every four months of what they needed to do… But they had to drive that, and that dovetailed into self-reliance.“ (Henry)

Leadership - Führung
„The deliberate strategies to develop player leadership (along with the unique combination of the dualmanagement model and the “Better People Make Better All Blacks” motto) appeared to reflect the key principles of transformational leadership (Bass & Riggio, 2006); that is, individual consideration, inspirational motivation, intellectual stimulation, fostering acceptance of group goals, high performance expectations, and appropriate role modeling.“

Die Einführung des Mannschaftsrats war eine der wichtigsten Maßnahmen um das oben angesprochene Dual-Management-Model zu verwirklichen. Diese Führungsgruppe bestand aus dem Kapitän und einigen Führungsspielern und hatte sowohl auf, als auch neben dem Spielfeld ihre Aufgaben. Natürlich übernahmen diese Spieler im Spiel („on-field“) Verantwortung und führten das Team. Sie wurden, wie oben beschrieben, aber auch in der Trainings- und Wettkampfplanung bis hin zur Planung der Trainingswoche miteinbezogen. Neben dem Spielen traf sich diese Gruppe regelmäßig um wichtige Themen aus der Mannschaft zu besprechen.

Expectation of Excellence - Erwarte das Aussergewöhnliche
Die unglaublich erfolgreiche Geschichte der All Blacks und das schwarze All Blacks Trikot, haben für das ganze Team eine große Bedeutung. Viele Spieler ziehen daraus ihre Motivation und sind besonders Stolz das Trikot der All Blacks tragen zu dürfen. Trotzdem muss die Hauptmotivation natürlich aus den Spielern selbst kommen:

„I’d give the same piece of advice to everyone at any level and that is, people will rise to a challenge if it’s their challenge. They won’t necessarily rise to your challenge… let the athletes be accountable for what the challenges are, and for achieving them. Through experience I’ve seen that if players are driven by their own intrinsic desires then they’re gonna push a lot harder to achieve them.“ (Smith)

Jeder, der Teil der All Blacks ist, strebt jeden Tag danach der beste auf seinem Gebiet sein zu wollen.

“Jock Hobbs [former All Black captain]… said the great thing about being an All Black is that you get up every day and try to be the best in the world. Every day; get up and be the best in the world. That’s what we’re trying to do; you’re getting up every morning to be the best in the world.”

Dabei bestand die Hauptarbeit auf und neben dem Feld immer darin, die Stärken der Spieler und des Teams beständig weiterzu entwickeln und nicht die Schwächen auszumerzen.
„We worked on their strengths, rather than just their weaknesses… We also wanted to boost their self-esteem, make them proud of who they were and what abilities they had. If you want to be the best in the world, you have to get better at what you are already good at.“ (Smith)

Team Cohesion: Teamzusammenhalt
Das Thema Zusammnehalt im Team betraf sowohl das Coaching Team als auch die Beziehung der Trainer zum Team und die Beziehungen in der Mannschaft. Z.B. war das Trainerteam, das aus drei Trainern bestand, von der Hierarchie her, horizontal aufgebaut.

„Although I was called head coach, and they were called assistant coaches… we’re all on the same level, and I always conducted it that way. ...Because the more ownership you can give these guys… the better they’re gonna feel… and that’s why they’re gonna coach well.“ (Henry)

Bemerkenswert ist beim Thema Zusammenhalt auch die Wortwahl der Trainer. Sie sprachen nämlich von Liebe. Die Liebe zum Spiel auf der einen Seite (“love of the game is a fundamental reason for playing it… it’s still a game, even though we’re paid for it. We had a real belief that it was an edge for us in the world of rugby–the way we love the game, why we play it and how we play it.”) aber auch die „Liebe“ innerhalb der Mannschaft.

„[I was reading about the ancient] Spartans. They were hugely courageous warriors and they were always looking for what the opposite of fear was so that they could develop that in their warriors. They found it wasn’t courage, and it wasn’t bravery, it was love. That’s about connections. So we selected the right people and worked really hard on developing… [better people] who had strong connections, played for themselves, but also played for each other, and people they loved. And they loved each other clearly, within the All Blacks. I think… [that was] a real source of performance.“ (Smith)

Ganz klar also hier die Aussage der Trainer, dass der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft als eine starke Quelle des Erfolgs gesehen wird und das das Team auch dementsprechend zusammengesetzt wurde.

Diskussion und Empfehlungen

Aus sportpsychologischer Sicht weisen die Hauptthemen dieser Studie, wie das Dual-Management Model, das Übertragen von Verantwortung auf die Mannschaft und die “Better People Make Better All Blacks”-Idee auf einen bereits in der Literatur beschriebenen Fürhrungs- und Coachingstil hin, der im englischen auch autonomy-supportive coaching genannt wird. Hierzu gibt es schon eine Vielzahl von Studien, die auf die Wirksamkeit hindeuten. Der theoretische Hintergrund bildet dabei die sogenannte Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2002) aus deren Perspektive ein Trainer entweder autonomie-unterstützend oder kontrollierend arbeiten kann.

An autonomy-supportive climate is created when the athlete is provided with choice and a rationale for tasks, their feelings are acknowledged, opportunities to show initiative and independent work are provided, athletes are given noncontrolling competence feedback, and the use of guilt-inducing criticism and overt control is avoided. On the other hand, a controlling environment is created when a coach behaves in a coercive, pressuring, and authoritarian way, and employs strategies such as manipulation, obedience, guilt induction, controlling competence feedback, and conditional regard to impose a specific and preconceived way of thinking and behaving upon their athletes. Key elements of the All Blacks’ motivational climate reflected an autonomy-supportive coaching approach: (i) offering choice (e.g., ownership and accountability for decision-making), (ii) encouraging athletes to take initiative (e.g., leadership group, responsibility), and (iii) using  empowering performance feedback (e.g., feedback on improving strengths, not just reducing weaknesses).

Transformational Leadership
Transformational leadership involves coaches building relationships with players based on personal, emotional, and  inspirational exchanges, with the goal of developing players to their fullest potential.

Transformational Leadership (übersetzt Transformationale Führung) verändert (transformiert) das Verhalten und das Bewusstsein im Team in Richtung eines neuen, höheren Niveaus, indem es den Sinn und die Bedeutung der gemeinsamen Ziele und Ideale verdeutlicht. Führungskräfte und Mitarbeiter sind gleichermaßen herausgefordert, inspiriert und motiviert, einen sinnvollen Beitrag zum Erfolg der Organisation und somit zur Verwirklichung der gemeinsamen Mission zu leisten. Arthur et al. (2012) entwickelten ein Modell des Transformational Leaderships für den Leistungssport und hoben dabei folgende Schlüsselaufgaben für den Trainer hervor:
 

  • creating an inspirational vision for the future (i.e., inspirational leadership, personal meaning),  (=inspirierende Visionen und Ziele entwickeln)
  • support to achieve the vision (i.e., motivational climate), and (=Unterstützung bei der Verfolgung der Ziele und Visionen geben durch das kreaieren eines geeigneten motivierenden Umfelds)
  • providing the challenge to achieve the vision (i.e., high performance expectations). (=Herausforderungen schaffen)

Im Hinblick auf die All Blacks tauchen diese Aufgaben beim Dual-Management Model, der Leadership Gruppe, dem Thema Verantwortung und beim Thema Expectation of Excellence, der Erwartung von Höchstleistung und Exzellenz auf.

Emotional Intelligence and Character-Building - Emotionale Intelligenz und Charakterbildung
Die Leitidee „Better People Make Better All Blacks“ stimmt bezüglich der Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle (korrekt) wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen mit dem Konzept der emotionalen Intelligenz (Meyer & Fletcher, 2007) überein. Studien haben gezeigt, dass die emotionale Intelligenz von Teammitgliedern eine signifikante Relevanz zum Zusammenhalt des Teams und der sportlichen Leistung des Teams aufweist. Ausserdem zeigen Studien deutlich, dass die emotionale Intelligenz des Trainers einen starken Einfluss auf die Wirksamkeit seines Trainerhandelns hat.

Praktische Empfehlungen
Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es unangebracht aus einer Studie mit einem einzigen Weltklasseteam bereits ausdrückliche Empfehlungen für die Praxis auszusprechen. Dennoch geben die Autoren der Studie einige praktische und hilfreiche Hinweise für Trainer im Leistungssport, vor allem in den Mannschaftssportarten:

  • Beziehe Athleten in bedeutsamen Führungsrollen durch das Umsetzen einer Version des Dual-Management-Konzepts bei der Teamführung mit ein.
  • Wende das Konzept der transformationalen Führung an. (adopt a mindset for transformational leadership via a focus on individual consideration, inspirational motivation, intellectual stimulation, fostering acceptance of group goals, high performance expectations, and appropriate role modeling)
  • Lerne ein emotional intelligenter Trainer zu sein.
  • Verwende Strategien um als Trainer autonomie-unterstützend zu wirken.

Im Anhang finden Sie die komplette Studie im Original.