Vergleich zwischen Spitzenathleten und Nachwuchsturnern bei Tsukahara-Abgängen am Reck. Analyse des Kraft-Zeit-Verlaufs an der Reckstange
Für das moderne Turnen am Reck ist die Nutzung der elastischen Geräteigenschaften von großer Bedeutung. Mit dem Mess- und Informationssystem Reck, kurz MIS Reck, (vgl. Knoll, 1999) lassen sich anhand von Kraft-Zeit-Verläufen der Reckstange Informationen zur Stangenauslenkung darstellen. Da die visuelle Art der Analyse von komplexen Bewegungen wie im Turnen einen immer größer werdenden Stellenwert einnimmt, zeigt sich, dass vor allem Film- und Videobildmessverfahren in Kombination mit Dynamometrie als vorteilhaftes Analysetool hilfreich sind (vgl. ebd.). Das MIS Reck wird insbesondere zur Analyse von Abgängen und Flugelementen sowie deren vorbereitenden Riesenfelgen am Reck eingesetzt. Wichtige Kenngrößen sind dabei Lage und Größe der charakteristischen Kraftmaxima des Kraft-Zeit-Verlaufes sowie das zeitliche Intervall zwischen zwei Maxima (vgl. Naundorf et al., 2016).
Bisher wurden konkrete Empfehlungen anhand von Postern für Athleten bei Flugelementen, wie Kovacs, Kolman, Tkatchev (gegrätscht und gestreckt) und Yamawaki ausgearbeitet (vgl. Naundorf & Becker, 2017). Hierzu gibt es bereits allgemeine Orientierungswerte der charakteristischen Parameter des Kraft-Zeit-Verlaufs, wie „Größe der am Körpergewicht relativierten Kraftwerte“, „Winkel des Kraftvektors (Kraftrichtung)“ und „Zeitliche Abstände der Maxima“ (vgl. ebd.). Ziel dieser Arbeit war es daher im ersten Schritt die Erstellung von allgemeinen Orientierungswerten der charakteristischen Parameter des Kraft-Zeit-Verlaufs für den Tsukahara-Abgang gestreckt. Die ermittelten Orientierungswerte basierend auf der Bestlösung der Spitzenturner dienen im zweiten Schritt für den Vergleich mit den Nachwuchsturnern am BSP Berlin.Die Untersuchung basierte dabei auf einer primären und sekundären Datenerhebung. Für die sekundäre Datenerhebung bietet das IAT einen umfangreichen Datensatz an Reckübungen und Einzelelementen am Reck, die mithilfe des MIS Reck aufgenommen wurden. Nach Auswahl des Zielelements dem Tsukahara-Abgang gestreckt wurden diese einer qualitativen Bewegungsanalyse nach festgelegten Parametern unterzogen, um die gewünschten Tsukahara-Abgänge gestreckt zu extrahieren. Für die Beantwortung der Fragestellung wurde eine primäre Datenerhebung der Nachwuchsturner am BSP Berlin vorgenommen. Die ausgewählten Videoaufnahmen der Spitzen- und Nachwuchsturner wurden mittels der MIS Reck Software analysiert. Der erzeugte Datenpool mit den entsprechenden Messwerten (Orientierungswerten) diente im Anschluss der Untersuchung dazu eine Auswertung der Daten und Darstellung der Ergebnisse vorzunehmen, um die Fragestellung der Studienarbeit zu bearbeiten.Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Werte der Nachwuchsturner nur gering von den Orientierungswerten der Spitzenturner unterscheiden. Es lässt vermuten, dass das leichtere Gewicht der Nachwuchsturner Einfluss auf die resultierenden Werte hat. Die resultierenden Kräfte [G] im Kraft-Zeit-Verlauf sind bei den Nachwuchsturnern höher, aber da die Kräfte im Vielfachen des Körpergewichts gemessen werden, erreichen sie ähnliche Zugkräfte an der Reckstange durch ihr geringeres Körpergewicht.Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es insbesondere zu Beginn des Lernprozesses vorteilhaft ist auf ermittelte Orientierungswerte aus Bestlösungen zurückgreifen, um den Turnern, Trainern und Trainerinnen, sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Trainingsarbeit zu erleichtern. Die Generierung von relevanten Messwerten im Messplatztraining ermöglicht dem Turner in Zusammenarbeit mit seinem Trainer ein nahezu zeitgleiches Feedback nach Durchführung seines Abgangs zu erhalten. Der Vergleich zwischen den individuellen Messwerten und den Orientierungswerten ermöglicht Abweichungen festzustellen und Optimierungen bzw. Verbesserungen des ausgeführten Abgangs (oder Flugelements) zu erreichen. Im weiteren Verlauf des Lernprozesses muss dennoch eine individuelle Optimierung der Technik sowie die Erarbeitung individueller Orientierungswerte im Vordergrund stehen. Denn die Untersuchung hat spezifische Unterschiede im Kraft-Zeit-Verlauf zwischen Spitzenathleten und Nachwuchsturnern am BSP Berlin bei Tsukahara-Abgängen gestreckt gezeigt, die es insbesondre gilt zu berücksichtigen, um die besten turnerischen Ergebnisse im Training, sowie im Wettkampfprozess zu realisieren.