Grenzbereiche der Belastungs- und Leistungsfähigkeit - Kongress Nachwuchsförderung NRW am 4./5. Juni 2012 in Köln
Dieser Kongress des Landessportbundes NRW und von Momentum/Deutsche Sporthochschule Köln ist die Nachfolge-Veranstaltung der traditionellen Internationalen Talent-Workshops.
Die Frage, wo die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit liegen und ob sie schon erreicht sind, wird in der Öffentlichkeit gerade aus Anlass neuer Rekorde und Top-Leistungen gern gestellt. Doch dies ist nur eine Seite der Frage nach Grenzen. Mindestens gleichermaßen wichtig ist die Frage nach der Grenze der Belastungsfähigkeit oder –verträglichkeit. Je näher man der (vermuteten) Leistungsgrenze kommt, umso mehr dürfte auch der Belastungsrahmen im Trainingsprozess ausgereizt werden, um noch den „letzten Rest“ an Anpassung zu schaffen. Damit steigt gleichzeitig die Gefahr, die noch verträgliche Belastbarkeitsgrenze zu überschreiten – eine echte Gratwanderung zwischen Reizsetzung, Regeneration und Grenzbelastung. In den Hauptvorträgen des Kongresses befassten sich die Kölner Professoren aus der Sicht ihrer jeweiligen Fachrichtung mit dieser Gratwanderung. Sportmediziner Prof. Bloch referierte zu den Grenzen bzgl. der Organe und des Gewebes, ging insbesondere auf das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten, auf möglicherweise kurzfristige Grenzverschiebungen wie auch die notwendige Regeneration (auch für die Anpassungsprozesse) ein. Mit der Wechselwirkung zwischen steigenden mechanischen Belastungen und den biologischen Strukturen des menschlichen Gewebes befasste sich Biomechaniker Prof. Brüggemann. Ohne die zweifelsohne vorliegende Plastizität des Gewebes und ihre Sensitivität für mechanische Reize wären mechanische Überlastungen und ihre Folgen noch viel häufiger. Mit steigender Leistung steigt auch das Risiko. Kenntnisse über aktuelle und individuelle Gewebetoleranzgrenzen könnten helfen, das Zusammenspiel aus Reiz- und Erholungsgestaltung sowie Anpassungszeiträumen so zu gestalten, dass noch Anpassungen erzielt werden können und dabei (bio-)mechanische Belastungen bestmöglich im Rahmen bleiben. Auch Psychologe Prof. Kleinert wies gerade für den Nachwuchssport darauf hin, dass einerseits Grenzerfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung nötig sind, diese unpassend gestaltet aber auch wieder Gefahren in sich bergen. Seine Empfehlungen für das Nachwuchstraining lauten: das Training aus Athletensicht möglichst selbstbestimmt, autonom und intrinsisch motiviert gestalten. In zwei weiteren Beiträgen wurde dargestellt, wie Momentum mit dem „Basischeck“ und LSB mit dem weiterentwickelten sportmedizinischen Untersuchungssystem den aktuellen Kenntnisstand aufnehmen und für die Praxis verfügbar machen. Neben den zentralen Vorträgen gab es zahlreiche weitere Vorträge, sei es mit praktischen Elementen in der Halle, mit Kurzbeiträgen in einer Postersession und einer sich anschließenden Satelliten-Veranstaltung zum Nachwuchs in Wissenschaft und Trainingspraxis. Eine Darstellung würde hier den Rahmen sprengen. Die meisten Abstracts sind aber unter http://www.sportland.nrw.de/nf/kongressworkshops/kongress2012/download.html erreichbar.