25.-27.8.2011, Paris: „Innovation and Practice“ – 11. ENSSEE-Forum und 8. ICCE Global Coach Conference

06.09.2011 | 13:33 Uhr

Ende August fand in Paris am INSEP, dem Zentrum für den Spitzensport in Frankreich, diese gemeinsame Konferenz von ENSSEE (European Network of Sport Science, Education & Employment) und ICCE (International Council for Sport Education) statt. Über 150 Teilnehmer aus allen Kontinenten nahmen teil.

Im Vorfeld der Konferenz liefen Workshops dreier internationaler Arbeitskreise des ICCE (als Auftakt in mehrjährige Entwicklungsprojekte), jeweils darin vertreten auch Mitarbeiter(innen) der Trainerakademie. Diese Arbeitsgruppen waren auf dem Internationalen Workshop der Trainerakademie Köln im April 2011 in Köln vereinbart worden. Die Gruppen werden in den nächsten Jahren Konzepte zum Anforderungsprofil des Trainers im Spitzensport, zum Qualitätsmanagement in der Trainerausbildung sowie zum Profil und zur Ausbildung der für die Trainerausbildung Verantwortlichen erarbeiten und vorlegen. Wir geben Ihnen hier einen kleinen Überblick über erste Statements und Positionen:

Fachkompetenz (und deren Vermittlung) ist für Trainer unerlässliche Voraussetzung, aber bei weitem nicht ausreichend für systematisches Trainerwirken auf höchstem Niveau. Für die Entwicklung zum Top-Trainer braucht es in erheblichem Maße auch ein Training des TrainerHANDELNs mit entsprechender Beobachtung, Überprüfung und Beratung, sowohl in gegenseitigem Coaching, in Selbstreflektion wie auch in Beratung und Mentoring durch entsprechend ausgebildete Trainerentwickler. Das Trainer-Lernen erfolgt nicht nur auf dem gewohnten formalen Weg, sondern (mit dem Leistungsniveau zunehmend) in erheblichem Umfang auch auf non-formalem Weg. Dafür sind sowohl die Reflektionsbereitschaft und –fähigkeit des jeweiligen Trainers erforderlich, als auch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter in der Traineraus- und –weiterbildung bis hin zu einer konsequent durchgeführten Personalentwicklung in den Organisationen. In einem der Arbeitskreise wurden bereits Anforderungen entworfen, die an Mitarbeiter der Trainerbildung und –entwicklung („Coach Education and Development“) zu stellen sind und in mehreren Qualifizierungsstufen (ähnlich wie bei den Trainerlizenzen) zu entwickeln wären. Deutlich wurde dabei, dass eine Ausbilderfunktion deutlich andere Qualifikationen erfordert als die Trainertätigkeit an sich und je nach genauem Tätigkeitsbereich auch nur bedingt mit der eigenen Trainerqualifikation zu tun hat.  Auffällig war, dass einerseits die inhaltlich-fachliche Seite der Trainerausbildung in Deutschland, auch und gerade durch die höchste Lizenzstufe des Diplomtrainers (mit vergleichsweise hohem Stundenumfang, schon vergleichbar dem für einen Bachelor-Abschluss), sehr angesehen ist. Andererseits ist im internationalen Vergleich festzuhalten, dass in anderen Nationen mittlerweile sehr viel Forschung zum o.g. Trainerhandeln, zum Profil des Top-Trainers und zur Entwicklung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten durchgeführt wird und auch durch entsprechende Ausrichtungen der Ausbildung zunehmend praktische Erfahrungswerte vorliegen. Bei uns ist dies eher Mangelware, Diskussionen darum gibt es sicher an der einen oder anderen Stelle, auch an der Trainerakademie. Aber im Vergleich haben wir den Eindruck, dass wir hart daran arbeiten müssen, in der Trainerentwicklung (und mit entsprechender Verzögerung auch im Spitzensport) nicht den Anschluss zu verlieren.  Die Hauptvorträge und die von der ICCE geprägten Vortragsreihen und Postersessions des Hauptkongresses in Paris befassten sich schwerpunktmäßig genau mit diesen Themen der Anforderungen und Merkmale der Trainertätigkeit sowie deren Ausbildung. Deutsche Vortragende wurden hier nicht gesehen. Einige ausgewählte Aussagen aus dem Kongress:
  • Entscheidend für den Erfolg eines Trainers werden zukünftig verstärkt die Themen Innovation und Veränderung sein. Der Trainer muss dabei in den Spannungsfeldern Blick zurück (was war erfolgreich?) vs. Veränderung (was wird demnächst erfolgreich sein?) bzw. zwischen dem Suchen nach der Evidenz, dem „Beweis“ vs. der (unsicheren) Innovation arbeiten. Die Trainertätigkeit auf Top-Niveau wird sich zwischen Handwerk/Wissenschaft und Kunst bewegen.
  • Der erfolgreiche Trainer arbeitet in und mit einem Team von Spezialisten, Zuarbeitern und Informationsarbeitern. Die Aufgabe des Headcoach ist die eines Teamchefs: aufeinander abstimmen, Verbindungen herstellen, entscheiden und handeln.
  • Angesichts höchster Trainings- und Wettkampfbelastungen wird es darauf ankommen, die Regeneration zu steuern. Zitat Frank Dick: „Adaptation goes in the phase of regeneration, not in the phase of stimulation.“
  • Zahlreiche Kurzbeiträge zeichnen ein aktuelles Bild effektiven Trainerhandelns und seiner Herausbildung. So werden bspw. computer- und videogestützte Verfahren zur Erhebung und Auswertung vorgestellt, Divergenzen zwischen Selbstbild/Selbsteinschätzung des Trainers und tatsächlichem Verhalten aufgezeigt und Wege diskutiert, eine ertragreiche Selbstreflektion als Weg der formalen wie non-formalen Trainerfortbildung zu gehen. Ein ausgewähltes Zitat: „Die rechtzeitige Herausbildung selbstreflektierender Fähigkeiten wird ein Schlüssel zur Entwicklung von Top-Trainern werden.“
  • Interessant ist auch ein Vergleich, wie sich ehemalige Topathleten in der auf sie angepassten Trainerausbildung im Vergleich zu „normalen“ Trainern entwickeln und verhalten. Beide Seiten haben wohl ihre Vor- und Nachteile.

Die Zukunft beginnt jetzt. Andere Nationen versuchen längst, sie systematisch und umfassend vorzubereiten. Und wir?