Ist Forschung subjektiv? aus einem Interview mit Prof. Dr. G. Hüther, einem der führenden deutschen Hirnforscher
Prof. Dr. Gerald Hüther, einer der führenden deutschen Hirnforscher, wurde in einem Interview mit der Aussage konfrontiert, dass die Forscher seines Fachgebietes zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen kämen. Dazu seine Stellungnahme in Auszügen:
„Wir müssen uns damit abfinden, dass Forschung, auch wenn sie naturwissenschaftliche Forschung ist, Befunde erzeugt, die nicht objektiv sind. Jeder Forscher hat ein bestimmtes Menschenbild, eine bestimmte Vorstellung, bestimmte Dinge, die ihn mehr interessieren, und andere, die ihn weniger interessieren. Und auf dieser Grundlage entwirft der Forscher seine Experimente. Deshalb geht ein starker subjektiver Faktor in die Konzeption des Experiments ein. Anschließend wertet der Forscher bestimmte Dinge aus und andere nicht, je nachdem, woran er interessiert ist. Das ist wieder subjektiv. Anschließend interpretiert er seine Befunde aufgrund seiner Sicht der Dinge, also noch mal subjektiv, und anschließend vermarktet er sie, er bringt sie in die Öffentlichkeit, so wie er das wichtig findet.“
Professor Hüther könnte wohl auch in den Sportwissenschaften zuhause sein, so ist manch ein Trainer vielleicht schon versucht zu denken, und wünscht sich gleich, auch hier ähnlich selbstkritischem Gedankengut zu begegnen. Jedoch: es müsste gleichermaßen beachtet werden, dass Forschungsergebnisse nicht schon allein wegen dieses beschriebenen subjektiven Zuganges unzutreffend seien. Sie dürfen nur nicht für eine „absolute Wahrheit“ gehalten werden, weder beim Forscher noch beim Abnehmer und Adressaten der Ergebnisse. Unter Berücksichtigung der o.g. Einschränkungen gibt es sehr wohl wertvolle Erkenntnisse, wenn auch in der Gültigkeit begrenzte. Anregend für die eigene, ebenfalls subjektive Perspektive können die fremden Sichtweisen allemal sein. Genau für diesen konstruktiven Umgang, bspw. auch zwischen Sportwissenschaft, Trainerkollegen und mir selbst, bedarf es des von Hüther angesprochenen Loslösens von der Vorstellung des absoluten, objektiven Wissens – auch auf der „Nehmerseite“. Der Gehirnforscher schließt denn auch im genannten Interview: „Die moderne Hirnforschung liefert uns keine neuen Rezepte, wie wir unser Leben gestalten oder unser Hirn benutzen sollten. Aber sie zwingt uns, Verantwortung zu übernehmen für uns selbst und für die Menschen, mit denen wir unsere Zeit verbringen und die mit uns zusammenarbeiten. … Und in diesem Punkt sind sich garantiert alle Hirnforscher einig.“(Quelle: Managerseminare Heft 169, Juni 2011, S. 46/47)